Der Schließwinkel
 

Über den Schließwinkel habe ich von so manchem 'Spezialisten' schon viele tolle Sachen gehört.
Hier nun die wahre Geschichte: :-)

Der Unterbrecherkontakt wird von einer Doppelnocke, immer dann wenn ein Zündfunke erfolgen soll, (der sog. Zündzeitpunkt) geöffnet. Die Doppelnocke ist auf dem Photo rechts gut zu erkennen. Der Schließwinkel ist ein Mass für die Dauer, für die der Unterbrecher-kontakt geschlossen ist. Der Winkel, während dessen der Kontakt geöffnet ist, nennt man den Öffnungswinkel. Dieser findet aber normalerweise keine weitere Erwähnung.
Diese beiden Winkel werden angegeben in ° der Unterbrechernocke. Auf dieser Zeichnung sind die beiden Winkel gut zu erkennen. Alpha gibt den Schließwinkel an. Beta ist der Öffnungswinkel. Lasse dich nicht davon irritieren, daß es hier vier Nocken sind. Es handelt sich hier um die Unterbrechernocke eines Vierzylinders.
Die Nocke drückt auf den Hebelarm des Unterbrechers und öffnet diesen für eine bestimmte Dauer. Der Schließwinkel läßt sich durch den Unterbrecherabstand verändern. Hier im Bild gezeigt mit den blauen und roten Werten.
Die Entennocke öffnet den Unterbrecher pro Umdrehung 2x für ca. 109° (bei perfekt eingestellten Kontaktabstand).
 

Blau: Größerer Unterbrecherabstand. Der Schließwinkel wird kleiner, der Öffnungswinkel wird größer.
Rot: Geringerer Unterbrecherabstand. Der Schließwinkel wird größer, der Öffnungswinkel wird kleiner.

Mißt man den Schließwinkel, dann erfasst man damit auch indirekt den Unterbrecherkontaktabstand. Dies ist natürlich sehr praktisch, da man ohne irgendwelche Demontage von Teilen auskommt. Man braucht also nicht mit viel Mühe das Lüfterad abbauen, um dann mit einer Fühlerlehre den Unterbrecherabstand zu messen.

Warum ist der richtige Unterbrecherabstand, bzw. der Schließwinkel so wichtig ?

Wird der Unterbrecher geschlossen, so baut sich in der Primärseite der Zündspule ein Magnetfeld auf ( siehe Grundlagen zur Zündanlage). Bis dieses Magnetfeld seine maximale Größe erreicht hat, d.h der Zündfunke meine max. Kraft haben wird, dauert es ein paar Millisekunden, da die Selbstinduktion der Spule zunächst dem eigenen Magnetfeld entgegen wirkt und sich das Magnetfeld deshalb nicht spontan aufbauen kann. Der Unterbrecher muß also mindestens für eine bestimmte Zeit geschlossen sein, damit das Primärfeld seine maximale Stärke erreicht und somit auch der Zündfunke seine max. Stärke hat. Andererseits sollte dise Zeit nicht unnötig lange sein, da die Zündspule durch den Spulenstrom ( 2 - 3 Ampere) stark erhitzt wird. Dies führt bei der Entenzündspule oft dazu, dass die Spule ausläuft und damit kaputt ist. Bei einer 2CV-Zündspule beträgt die nötige Zeit des Stromflusses bis zur Sättigung ca. 3-4ms. Der Schliesswinkel sollte also gross genug sein, damit die Spule mind. 4ms mit Spannung versorgt wird.

Hierzu eine kleine Rechnung:

Leerlauf: 850 U/min

Eine Motorumdrehung dauert 70 ms. Die Nockenwelle, auf welcher der Unterbrechernocken sitzt, dreht sich mit halber Motordrehzahl. eine Umdrehung der Nocke dauert also 140 ms. Um nun auf die 3ms Stromfluß zu kommen, muss der Unterbrecher ( 360° / 140ms ) x 4ms = 10,3° geschlossen sein. D.h, daß theoretisch ein Schliesswinkel von nur 10° !! anstelle von 109° ausreichen würde!

Vollgas: 7000 U/min

Eine Motorumdrehung dauert nun nur noch 8.6ms. Das heißt die Nocke dreht sich in 17.2 ms einmal. Für die geforderten 3ms Schließzeit des Kontaktes gilt nun: (360° / 17.2ms) x 4ms = 83,7°
Es ist also ein Schliesswinkel von ca. 84° notwenig um die Spule zu sättigen.

Wie du siehst, ist der Bereich des optimalen Schliesswinkels sehr gross. Moderne elektronische Zündanlagen,wie sie mittlerweile in allen Autos vorhanden sind, regeln daher den Schließwinkel automatisch, abhängig von der Drehzahl und dem tatsächlich fliesenden Spulenstrom.

Bei mechanischen Zündanlagen, wie die der Ente, ist nur eine statische Einstellung möglich. D.h. unabhängig von der Motordrehzahl und den tatsächlichen Bedürfnissen der Zündspule ist der Schliesswinkel immer gleich. Es gilt nun, einen Schließwinkel bzw. Unterbrecherabstand einzustellen, der die Zündspule im Leerlauf nicht zu warm werden läßt und bei Vollgas immer noch lange genug ist, um das Magnetfeld der Zündspule zu sättigen. Jetzt ist es nicht so, dass der Zündfunke schlagartig an Qualität verliert, sobald die oben genannten 3-4ms unterschritten werden. Auch bei 2ms ist der Funke noch stark genug. Ein Schließwinkel von 60-80° reicht für die Entenspule theoretisch auch bei Vollgas noch voll und ganz aus. Jetzt kommt aber ein völlig neuer Gesichtspunkt: Die Massenträgheit des Unterbrecherkontakts. Wird der Unterbrecherabstand zu gross ( kleiner Schliesswinkel), dann kann der Unterbrecherarm das Flattern anfangen. Dieser wird ja von der Nocke beim Öffnen stark beschleunigt und beim Schliessen klatscht er wieder nach unten und kann durch den Aufprall unter Umständen wieder zurück schlagen. Ist der Unterbrecherabstand zu klein ( grosser Schliesswinkel) dann trennt er den Spulenstrom nicht schnell genug, und die Funkenqualität leidet.
Der Sollwert ist für den Schliesswinkel ist 109°. Dies entspricht einem Unterbrecherabstand von ca. 0.4mm.

Der Laie gibt sich oft viel Mühe den Unterbrecherabstand exakt mit der Fühlerlehre auf 0.4 mm einzustellen. Es ist aber völlig egal ob der Abstand jetzt 0.3mm oder 0.5 mm beträgt. Der Schließwinkel ist in jedem Falle im Leerlauf ausreichend. Für optimale Startbedingungen (10-20° Schliesswinkel würden reichen. Siehe oben.) und bei Höchstdrehzahl reicht eine geringere Spulensättigung aus. Es ist also im Prinzip völlig albern, wenn so ein wichtiger AU Fuzzi in der Werkstatt oder beim TÜV dir einen erzählt von wegen die Zündung muß eingestellt werden nur weil der Schließwinkel anstatt der vorgeschriebenen 109° nur 100° oder 114° hat. Das Problem ist nur, dass man bei den neueren AU Testgeräten die Testergebnisse oft nicht mehr von Hand nachträglich abändern kann, und somit der Schliesswinkel exakt auf den vorgeschriebenen Sollwert einzustellen ist, auch wenn es aus technischer Sicht wenig Sinn macht.

 

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Stand: 21Juni, 2003